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»Und dabei wurde klar, wie wichtig es ist, bewährte Wege auch mal zu verlassen«: Carsten Priebs über die Digitalisierungsstrategie bei Randstad

29. August 2019

Carsten Priebs wechselte im Sommer 2018 aus seiner Anstellung bei der DB Netz AG in seine neue Position als CIO & CDO bei der Zeitarbeitsfirma Randstad. Nebenberuflich ist er als Advisor und Mentor für Startups tätig, beschäftigt sich dabei unter anderem mit dem Thema Gamification. Inwieweit sein Startup-Hintergrund bei der Digitalisierung des Personaldienstleisters zum Tragen kommt und ob der Gamification-Ansatz auch hier eine Rolle spielt, erzählt er im Interview.


PN: Können Sie mir kurz etwas zu Ihrem Werdegang bis hierher erzählen? Wie sind Sie zum Thema Information Management & Digitalisierung gekommen?

CP: Das fing ganz früh an – spielerisch. Als ich um die 15 Jahre alt war, kam der Commodore C64 auf den Markt und ich fand die Spiele super – und die Möglichkeit selbst zu programmieren. Das hat mich jahrelang viel zu viel Zeit gekostet, ich war ein echter Nerd. Zu Beginn meines Studiums als Wirtschaftsingenieur habe ich dann alles verkauft, weil ich mich auf das Studium konzentrieren wollte. Aber schon im dritten Semester habe ich gemerkt, wie hilfreich Excel sein kann: Mit Kommilitonen habe ich an einer Bank-Simulation teilgenommen und wir konnten ein Modell des Marktes nachbilden und somit recht erfolgreich sein. Und so ging es weiter: Die Technik nie als Selbstzweck, sondern immer mit dem Ziel, Unternehmen und Menschen erfolgreicher und auch ein wenig glücklicher – Stichwort Routinearbeit –  zu machen.

PN: Neben Ihrem Posten als CIO/CDO bei Randstad sind Sie auch als Mentor und Advisor für Startups tätig. Wie genau kann ich mir das vorstellen und wie sind Sie dazu gekommen, sich mit dem Startup-Thema auseinander zu setzen?

CP: Während meines Studiums habe ich eine Software-Firma gegründet und erst im Nachhinein verstanden, was uns erfolgreich gemacht hat: Wir haben Datenbanken so angewandt, wie es für uns logisch erschien, und nicht so, wie es seit Jahrzehnten gemacht wurde. Wir mussten nicht erst Bewährtes wieder verlernen, um das Neue anzuwenden. Genau das ist die Herausforderung in vielen Unternehmen heute: Sie sind seit Jahrzehnten erfolgreich und haben sich vielleicht sogar die Marktführerschaft erarbeitet. Aber ist das, was sie heute gut können, das, was sie morgen brauchen, um erfolgreich zu sein? Bei der Geschwindigkeit des Wandels, der uns umgibt, kann ich schnell genug lernen und vor allem Bewährtes loslassen? Da können Startups helfen, Inspiration zu geben. Und außerdem macht es mir große Freude mit Menschen zusammen zu kommen, die mit Leidenschaft und Einsatz für ihre Sache kämpfen.

Für die Startups wiederum ist die Herausforderung, an ausreichend viele Kunden zu kommen, das Geschäftsmodell zu profilieren und die Frage zu beantworten, wie sie ihr Business skalieren. Dazu kommen gerade bei jüngeren Gründern noch ganz praktische Fragen des Managements und der Führung. Ich weiß, wie sehr es mir immer geholfen hat, mit jemand Erfahrenem in den Sparring zu gehen – das möchte ich den Startups bieten.

PN: Auf unserer Startup-Stage im Oktober wird Tim Meggert über die fryd GmbH sprechen – dort sind Sie ja auch als Advisor an Bord. Was hat es mit fryd auf sich? Welches Konzept steckt dahinter?

CP: Fryd ist super spannend. Fryd macht Gamification – sie bringen spielerische Elemente in Nicht-Spiele, wie Kundenbeziehungen oder Geschäftsprozesse. Das hat mich besonders gereizt: Wie können wir dafür sorgen, dass auch Daily Business und Routinetätigkeiten die Menschen ein klein wenig glücklich und vielleicht sogar ein wenig stolz machen? Gamification spricht die Menschen auf unterschiedliche Art und Weise an und hilft ihnen, den Sinn, den z.B. ihre Arbeit macht besser zu erkennen. Einem Mitarbeiter der mobilen Instandhaltung könnte man z.B. zeigen, wie viele Geräte er in einer Woche repariert hat und welche Auswirkung das hat: Höhere Anlagenverfügbarkeit und damit mehr zufriedene Kunden. Oder wir zeigen ihm auf, an welchen unterschiedlichen Baureihen er gearbeitet hat und machen so sichtbar, wie breit seine Expertise ist. 

Auch die Arbeit in Teams kann gamifiziert werden, wenn man sich beispielsweise gemeinsam Ziele setzt und jeder Beitrag dazu sichtbar wird. Das könnte bei einem Datenqualitätsprojekt eingesetzt werden, indem Produktgruppe für Produktgruppe vorgegangen wird.

PN: Findet der Gamification-Ansatz auch bei Randstad Anwendung?

CP: Ja, wir haben auch schon unsere ersten – guten – Erfahrungen gemacht. Zunächst haben wir das mit unseren Kollegen in den Niederlassungen getestet. Ziel war dabei, das Know-how unserer Consultants im Umgang mit den Google-Tools auszubauen. Unsere Vertriebskollegen sind sehr wettbewerbsorientiert, da kommt richtig Schwung rein durch Gamification. Die nächsten Projekte sind schon in Planung, dabei denken wir auch an die Verknüpfung mit unseren Mitarbeitern im Kundeneinsatz und an das Thema Weiterbildung, Trainings oder auch Empfehlungsmanagement.

PN: Sehen Sie die Unternehmenskultur als maßgeblichen Hebel bei der Digitalisierung?

CP: Ja, das ist sie bestimmt. Es gibt das schöne Zitat von Peter Drucker “Culture eats strategy for breakfast”, das sagt eigentlich alles: Der schönste Plan, Strategie ist ein grober Plan, ein Ziel zu erreichen, nützt nichts, wenn er nicht umgesetzt wird. Diese Umsetzung wird durch Menschen gemacht. Und die müssen in der Regel zusammenarbeiten, auf Änderungen reagieren, Entscheidungen unter Ungewissheit treffen. Und zwar auf jeder Ebene und in jeder betrieblichen Funktion.

PN: Randstad ist ein gewachsenes Unternehmen, existiert bereits seit 1960 (bzw. in Deutschland seit 1968). Gerade gewachsene Unternehmen haben oft Schwierigkeiten mit dem kulturellen Wandel, der mit der Digitalisierung einhergehen muss. Jemanden mit dem Wandel zu beauftragen, der einen Startup-Hintergrund hat und seine Expertise entsprechend mitbringt, scheint zwar logisch, aber dennoch gewagt. Wie sind Sie mit Randstad zusammengekommen?

CP: Die Begegnung kam bei einem Austausch über Digitalisierung zustande. Und genau dabei wurde klar, wie wichtig es ist, bewährte Wege auch ab und zu zu verlassen. Auf der anderen Seite war meine Erfahrung im klassischen IT-Management genauso wichtig, weil ja das Bestehende die Firma enorm erfolgreich gemacht hat. Die Mischung machts.
Und ich bin ja auch nicht allein. Die Digitalisierung bei Randstad hat nicht den einen Kopf, sondern das gesamte Managementteam treibt sie. Und je diverser die Hintergründe sind, umso wertvoller die Diskussionen und umso gewinnbringender die Entscheidungen.

PN: Inwieweit können Sie Ihre Expertise als Gründer/Startupper in die Digitalisierung bei Randstad einfließen lassen?

CP: Das fließt einerseits in Form von Erfahrung in Diskussionen und Entscheidungen innerhalb der Geschäftsleitung ein. Und es wird andererseits konkret in vielen Dingen, die wir machen: Bei uns ist gerade ein Startup eingezogen, das die Recruitment-Plattform für die Netflix-Generation bauen will. Jeder Mitarbeiter ist herzlich eingeladen, sich mit ihnen auszutauschen. Wir nutzen agile Methoden in unseren Projekten und auch im Management. Und wir veranstalten in unserer Business School Design Thinking-Meetups. So bereiten wir die Grundlage für Kreativität, Innovation und Kundenorientierung.

PN: Gibt es in puncto Unternehmenskultur und Digitalisierung eine unternehmensweite Kooperation oder arbeiten die weltweiten Niederlassungen eher separat? Wie sieht die Koordination aus?

CP: Wir haben eine sehr aktive Digital Factory im globalen Headoffice in den Niederlanden sowie den Randstad Innovation Fund (RIF), der sich an Startups und HR-Unternehmen beteiligt. Die Digital Factory stellt technische Komponenten und strategische Konzepte für unsere Kerngeschäftsprozesse zur Verfügung und unterstützt die Landesgesellschaften bei der Einführung. 

Der RIF ist ein strategischer Corporate Venture Fund, der sich an Unternehmen in der HR-Industrie beteiligt, mit den Schwerpunkten Online Plattformen, Big Data, Machine Learning und Screening. Die Koordination erfolgt über das Global IT Leadership-Team mit den CIOs/CDOs der größten Landesgesellschaften, u. a. Deutschland, die dann wiederum mit ihren Regionen, z.B. DACH, kommunizieren. Das sorgt für einen guten Kompromiss zwischen direkter Partizipation und der Zusammenarbeit zwischen 38 Landesgesellschaften.

PN: Hierarchien, Prozesse und Arbeitsweisen im Unternehmen sind spätestens seit Anbruch der Digitalisierung i.d.R. immer im Fluss und im steten Wandel. Wie motiviert man tausende von Mitarbeitern, den steten Wandel mitzumachen?

CP: Wenn Hierarchien im Fluss sind, ist genau das eigentlich schon ein starker Motivator. Wenn Mitarbeiter ihre Expertise und Urteilsfähigkeit einsetzen können, anstelle Vorgaben exakt auszuführen, kommt dem Einzelnen wieder Gewicht zu und die Möglichkeit, zufrieden auf den Anteil zu schauen, den er am Ganzen hat.
Gleichzeitig ist es wichtig, nicht an zu vielen Schrauben gleichzeitig zu drehen, und auf dem Weg gut und kontinuierlich zu kommunizieren. Und zwar nicht nur durch Ansagen, sondern auch mit Zuhören. Auch hier hat Randstad bereits seit längerer Zeit eine Reihe von Formaten im Einsatz, die sich bewährt haben.


Mehr zum Thema berichtet Carsten Priebs auf unserem Strategiegipfel IT & Information Management im Oktober in seinem Vortrag: “Dürfen wir das denn?” – Ungewohnte Arbeitsweisen und trotzdem (oder deswegen?) motiviert. Konkrete Maßnahmen und deren Wirkung für eine effektive Digitalisierungsstrategie und Geschäftsmodell-Innovationen.

Wollen Sie mehr erfahren? Zum kompletten Gipfelprogramm geht es hier: 

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Michael Wangelow