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Modernes Marketing und der Erfolgsfaktor Mensch – Interview mit Lutz Klaus (Marketing ROI Consulting)

17. Dezember 2018

Nach 28 Jahren Marketing- und Vertriebserfahrung in Start-Ups, Agenturen, auf Herstellerseite und in der Telekommunikationsbranche wagte Lutz Klaus 2016 mit seinem eigenen Unternehmen den Schritt in die Selbständigkeit: Er gründete die Marketing ROI Consulting. Seitdem betreut der Wahlberliner Kunden von Mittelstand bis Großunternehmen bei ihren Bemühungen hin zu modernem, datengetriebenem Marketing mit messbaren Ergebnissen.

Vor kurzem ist sein neues Buch „Data-Driven Marketing und der Erfolgsfaktor Mensch“ erschienen: Wie mache ich mein Marketing zukunfts- und konkurrenzfähig? Welche Rolle spielt dabei der Faktor Mensch und welche Kompetenzen vereint der moderne Marketer? Ich habe mich mit Lutz auf ein Interview getroffen.

PN: Was war deine Motivation für das Buch?

LK: Ausgangspunkt war das Thema Digitalisierung. Wir merken in unserem privaten wie auch beruflichen Leben wie sich viele Dinge verändern: Medienverhalten, Einkaufsverhalten, Kommunikationsverhalten. Ich war vor drei Jahren verantwortlich für Cloud- und Datacenter bei einem Hersteller von IT-Produkten. Wir haben die Dampfmaschinen des 21. Jahrhunderts gebaut: Rechenzentren – für Firmen wie Amazon, Spotify, Uber, Google und andere. Damals habe ich verstanden, dass in der digitalen Welt nach vollkommen neuen Spielregeln gespielt wird. Digitales Marketing gibt es ja schon lange. Und Marketing sitzt auf einem Topf von vielen Daten. Aber Digitalisierung im Sinne von Denken in Geschäftsmodellen auf Basis datengetriebener Ansätze – das war eine vollkommen neue Ausrichtung. Und das erfordert eine vollkommene Transformation von Unternehmen. Man kann nicht mit den alten Ansätzen in diese neue Welt einsteigen. Bei Transformationsprojekten ist es so, dass in der Regel nach drei Faktoren geschaut wird: Technologie, Organisation und der Faktor Mensch. 

Ich habe in meinen 30 Jahren Berufserfahrung viele Projekte erlebt, bei denen zu sehr auf Technologie gesetzt wurde. Aber es wurde vergessen den Mitarbeiter, den Menschen, mitzunehmen. Man muss den Mitarbeiter umfassend qualifizieren. Es gibt eine Untersuchung von McKinsey, die belegt, dass fehlende Adaption durch Mitarbeiter bei 80% der gescheiterten Customer Analytics-Projekte der Grund war. Also auf der einen Seite gibt es diesen riesigen Bedarf zu digitalisieren, auf der anderen Seite ist es wichtig, den Mitarbeiter mitzunehmen. Das war meine Motivation, hier wollte ich eine Hilfestellung geben, worauf aus Sicht des Menschen geachtet werden soll.

PN: Du bist als Berater mit deiner eigenen Firma unterwegs. Geht es dir da auch um dieses Thema, also den Menschen mitzunehmen, die Kultur zu verändern?

LK: Das ist meine absolute Priorität. Die Technologie ist Teil der Lösung, auch um zu skalieren, um die Komplexität zu managen – Stichwort Big Data, Agilität und Automatisierung. Aber wichtig ist es erstmal den Menschen zu überzeugen: Ihm Digitalisierung als Chance zu kommunizieren, jedoch auch klarzustellen, dass sich die Regeln ändern. Ihm die Fach- und Methodenkompetenz mitzugeben, um zukünftig erfolgreich zu sein. Wenn man sich mal die Entwicklung allein bei den Marketingtools anschaut – es gibt eine »jährliche Übersicht von Scott Brinker – er hat 2012 angefangen, sämtliche verfügbaren Marketingtechnologien auf einer Seite aufzulisten. Damals waren es rund 150. 2018 reden wir von fast 7.000 verschiedenen Anbietern von Technologien. Wer hat da noch den Überblick? Das heißt: Die Technologie alleine ist nicht die Lösung. Sondern man muss sich überlegen, was ist das Ziel, wo wollen wir hin und wie können wir die Mitarbeiter so weit schulen, dass sie mit der richtigen Technologie in der Lage sind, diese Ziele zu erreichen.

PN: Widerstand gegenüber Neuem, der Digitalisierung. Begegnet dir das heute noch immer häufig?

LK: Absolut. Und was ich auch feststelle ist, dass viele Menschen immer noch in linearen Wachstumsraten denken – also in Wachstum von 4, 8, 10%. Aber die digitale Welt wächst exponentiell. Wenn du heute eine neue, gute Idee hast oder ein neues Geschäftsmodell, dann hast du, wenn du das in ein Rechenzentrum stellst, auf einen Schlag 5 Milliarden potentielle Kunden. Beispielsweise Uber – die haben keine Taxis. Air BnB – die haben keine Hotels. Trotzdem dominieren sie den weltweiten Markt. Und das ging sehr schnell. Das heißt, wenn ich mich heute zurücklehne und sage, „Ach wir haben noch Zeit“, dann ist das eine gefährliche Strategie. Im Rahmen der Recherche für mein Buch habe ich mit sehr vielen Leuten gesprochen, unter anderem auch Digitalisierungsverantwortlichen bei großen Unternehmen. Eine Dame bei einer Großbank sagte mir, sie unterscheiden intern zwischen Digital Natives, Digital Immigrants und Digital Aliens. Es gibt zahlreiche Förderprogramme, die den Mitarbeitern angeboten werden. Da wurde auch vom Top-Management die Maxime ausgegeben: Wir gehen in Richtung Digitalisierung. Aber diese Programme laufen irgendwann aus. Und wenn Mitarbeiter sagen, „Das interessiert mich nicht“, laufen sie Gefahr, den Anschluss und auch ihren Marktwert zu verlieren. Das kann sich negativ auswirken, wenn es eine Organisationsänderung gibt oder einen Wechsel des Vorgesetzten oder wenn man die Firma wechselt.

PN: Du sprichst in deinem Buch von 7 Kernkompetenzen – was macht den modernen Marketer aus?

LK: Das ganze Thema ist zunächst mal eine riesige Chance fürs Marketing. Aber die Verantwortlichen müssen diese Chance auch ergreifen. Viele denken beim Marketing immer noch vornehmlich an Branding, Kreativität, Messen, Events, Website. Das ist tendenziell auch richtig. Aber was hinzu kommt sind die analytischen Fähigkeiten. Der moderne Marketer muss neben der kreativen Komponente in der Lage sein, Daten effektiv zu nutzen. Und das ist ein ganz wesentlicher Punkt: Es mangelt in den Unternehmen nicht an Daten. Aber diese Fähigkeit sie zu sammeln, zu strukturieren, auszuwerten und dann daraus zu schließen, was ist gut, was ist nicht gut, wo müssen wir was ändern – da liegt die eigentliche Intelligenz. Dateninformiert agieren alle Unternehmen, datengetrieben ist für die meisten neu. Das muss aufgebaut werden und hier unterstütze ich konkret.

PN: Das heißt, das Marketing ist mit der Digitalisierung vielschichtiger geworden und vor allem technischer.

LK: Genau. Es gibt Studien, die belegen, dass der größte Effekt der Digitalisierung in kundennahen Bereichen erwartet wird – also bei Vertrieb und Marketing. Im Marketing kümmern wir uns seit mehr als 20 Jahren um digitale Medien – Webseiten, Emails usw. Es gibt eine Menge an Daten, die zur Verfügung stehen. Und jetzt geht es darum, diese auch sinnvoll zu nutzen. Also auch als Marketingleiter aufzustehen und zu sagen, „Wir sind in der Lage das Unternehmen für die Zukunft zu transformieren, weil wir von den Kunden die entsprechenden Daten haben“. Ein weiterer Effekt der Digitalisierung ist, dass der direkte Kundenkontakt oftmals verloren geht. Es gibt im B2B-Bereich Untersuchungen, die belegen, dass rund 70% des Kaufprozesses anonym zurückgelegt werden bevor ein potentieller Kunde mit einem Unternehmen Kontakt aufnimmt. Im E-Commerce-Bereich, der ja auch im B2B zweistellig wächst, sind es 100%. Das heißt, es kann sein, dass wir den Menschen, der unser Kunde ist, nie zu Gesicht bekommen. Daten geben uns die Kundennähe bis zu einem gewissen Punkt wieder zurück. Das heißt, wir verstehen, was will der Kunde, was funktioniert und was nicht. Diese analytische Kompetenz ist zentral für die Zukunft und Marketing sollte hier führen.

PN: Wie relevant sind denn die Themen Customer Journey, Customer Lifecycle wirklich für den B2B-Bereich?

LK: Nicht weniger als für den B2C-Bereich. Erfreulicherweise fangen die Unternehmen an immer mehr zu experimentieren. Es wird ein Shop aufgesetzt, der vertreibt beispielsweise Ersatzteile. Einfach mal um zu schauen, wie das vom Kunden angenommen wird. Auch das Thema Aftersales, die Kundenbetreuung nach dem Kauf, ist etwas, das immer wichtiger wird. Ich sehe hier einen massiven Trend nach oben. Wichtig ist, das zu erkennen, aber auch anzufangen, Daten zu sammeln. Wenn man z.B. über Predictive Analytics oder Marketing Mix Modeling redet, braucht man mindestens Daten aus einem Zeitraum von drei Jahren. Dafür gibt es aber keinen Kompressionsalgorithmus. Das heißt, du musst anfangen, Daten zu sammeln, damit du in der Zukunft überhaupt in der Lage bist, datengetriebene Ansätze zu nutzen.

PN: Das heißt, du würdest einem Unternehmen raten, fangt erstmal an Daten zu sammeln, den Rest ziehen wir dann hinterher?

LK: Nein, ich würde dem Unternehmen raten, sich erstmal über Ziele Gedanken zu machen. Am Anfang steht das Bewusstsein: Es verändert sich etwas, wir müssen was tun. Und dann muss man sich die Ziele überlegen: Wollen wir den Umsatz steigern, die effektivsten Kanäle herausfinden, den Marketing ROI verbessern, die Kundenstornierungsquote reduzieren? Und dann auch: Welche Entwicklungen sehen wir im Markt und bei Kunden? Wie können wir dann diese Ziele datengetrieben erreichen? Im nächsten Schritt geht es darum, die entsprechenden Methoden einzusetzen, um die Ziele zu erreichen. Ein guter Ansatz, ist, einmal die Customer Journey aufzuschreiben. Wenn ich bei Kunden bin, machen wir das im Team an einer Moderationswand, ohne Nutzung von Technologien. Wir benennen jemanden, der auf seinem Handy oder auf einem Rechner den ganzen Weg nachvollzieht: Wie kommen die Leute auf unsere Website – über soziale Medien, Newsletter-Marketing etc. Wenn er auf die Website gelangt, was findet er vor? Wie findet er das gesuchte Produkt? Was muss er tun, um zu kaufen? Wie kann ich das analytisch optimieren? Und dann steht natürlich die Frage, wie kann man es dem Kunden so einfach wie möglich machen, Kunde zu werden und die Produkte zu kaufen.

PN: Hast du schon mal Kunden von datengetriebenem Marketing abgeraten? Gibt es da denkbare Fälle?

LK: Nein, das habe ich nicht. Denn wenn man da nicht mitspielt – es sei denn man ist ein Betreiber auf einem lokalen Wochenmarkt vielleicht – dann wird es zukünftig schwierig. Wir sehen ja, wenn man sich den E-Commerce-Markt anschaut, der wird zu über 50% von großen Playern dominiert. Und wenn ich jetzt nicht anfange, dann wächst die Gefahr, dass ich künftig bezahlen muss, indem ich andere Plattformen anzapfe, andere Zugangsformen nutzen muss, um meine Kunden zu erreichen. Ich kann nur jedem die Empfehlung geben, sich damit zu beschäftigen. Was ich rate ist, sich digitale Reifegradmodelle anzuschauen– beginnend bei der deskriptiven Analytik bis hin zur autonomen Analytik mit künstlicher Intelligenz und Machine Learning, wo man die Steuerung ans System abgibt und nur eingreift, wenn bestimmte Ergebnisse nicht eintreffen. Dazwischen gibt es eine Vielzahl an Stufen. Meine Empfehlung an Unternehmen ist: Werdet euch dieses Reifegradmodells bewusst. Und dann überlegt euch, wo ihr hinwollt, auf welche Stufe. Nicht jeder muss in diese autonome Analytik rein. Und dann muss ich mir überlegen, wo stehe ich heute? Und was muss ich machen, um auf diese Stufe zu gelangen.

PN: Stichwort nochmal Unternehmenskultur und das oft gehörte „Es ging doch bis jetzt auch so“: Welchen Rat hast du an mich als Marketer, der gegen so versteifte Kulturen kämpft?

LK: Digitalisierung ist ein Managementthema. Wenn nicht von oberster Führungsebene das Bewusstsein da ist, „Wir müssen was tun“ und eine realistische Einschätzung im Sinne von „Was müssen wir tun, um die Mitarbeiter zu qualifizieren?“ und „Welche Technologie benötigen wir“ und „Was sind realistische Zeiträume, in denen wir konkrete Ergebnisse erwarten?“ – wenn du nicht vom Top-Management die Unterstützung hast, dann wird es schwierig.

PN: Das heißt, ich kann nur das Thema immer wieder anbringen, sinnvoll argumentieren und muss drauf hoffen, dass es irgendwann ankommt?

LK: Im Grunde ja. Gleichzeitig gilt es, einfach anzufangen.  Eine Option ist, eine sogenannte „Koalition der Willigen“ zu finden – sodass man einfach Bottom-up anfängt, interessierte Menschen über mehrere Abteilungen zu finden. In meinem Buch spreche ich von der Rolle des Intrapreneurs – dass man innerhalb des Unternehmens als Unternehmer agiert und versucht, die Geschicke zu steuern und zu gestalten. Da ist ein Stück weit Eigeninitiative gefragt, dass man einfach mal anfängt mit Projekten, dann zeigt was man geschafft hat und sobald sich Erfolge einstellen, kommt man eben auch einfacher an gegen verhärtete Strukturen.

Bei Beratungsbedarf finden Sie Lutz Klaus und Marketing ROI Consulting hier: »https://www.marketing-roi.eu/

Das Buch „Data-Driven Marketing und der Erfolgsfaktor Mensch“ können Sie über die üblichen Kanäle ordern (z.B. »hier).

Außerdem verlosen wir unter allen Teilnehmern unseres Strategiegipfel B2B Marketing Transformation im Mai, auf dem auch Lutz zugegen sein wird, drei Exemplare. Alle Infos zum Event hier: »https://www.project-networks.com/events/marketing/

Vielen Dank für das Gespräch und deine Zeit, Lutz!